KulturAgenda 2030

 

Podcast-Reihe #Klimadialoge

Nachhaltigkeitskultur im digitalen Zeitalter  

  • Podcast 1

    Podcast 1: Digitaler Wandel und Nachhaltigkeitstransformation

    Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes 

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    Podcast 2: Nachhaltigkeit als kulturelles Epochenprojekt

    Dr. Hildegard Kurt, Mitbegründerin des und.Instituts 

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  • Dirk Messner

    Podcast 3: Nachhaltigkeit in der Kulturpolitik

    Erhard Grundl, Obmann des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien

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    Podcast 4: Nachhaltige Digitalisierung in Kultur und Medien

    Dr. Martin Lätzel, Direktor der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek

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    Podcast 5: Nachhaltigkeitstransformation mit Kultureinrichtungen

    Dr. Ulrike Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar

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    Podcast 6: Nachhaltige Kulturförderung

    Dr. Skadi Jennicke, Kultur-Bürgermeisterin  der Stadt Leipzig

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    Podcast 7: Kulturelle Bildung als Bildung für nachhaltige Entwicklung

    Prof. Dr. Vanessa Reinwand-Weiss,  Direktorin und Geschäftsführerin der Bundesakademie für Kulturelle Bildung

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    Podcast 8: Nachhaltigkeit in der Kunst

    Tino Sehgal, Künstler und Kurator

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    Podcast 9: (Main)-Streaming von Nachhaltigkeitskultur

    Dr. Tobias Knoblich, Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft 

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Dialog-Reihe #Transformationsdialoge

Transformativ führen:
Durch Digitalität zur Nachhaltigkeit?


9. September bis 7. Oktober 2022


Gastgeber: Kulturpolitische Gesellschaft e.V. | Moderation: Dr. Ralf Weiß, REFLEXIVO


zur Dialog-Reihe

  Blog zum Tutzinger Manifest

von Ralf Weiß, Henning Mohr und Uta Atzpodien 24 Jan., 2022
Ein Nachhaltigkeitsmanifest der Kultur Ralf Weiß, Henning Mohr und Uta Atzpodien 24. Januar 2022 „Wir sollten uns darauf konzentrieren, eine Politik zu unterstützen, die uns mehr verspricht als bloße Selbstbehauptung, die dazu beitragen kann, eine friedliche und dynamische Transformation zu fördern.“ (Willy Brandt) Obwohl die Evangelische Akademie im bayrischen Städtchen Tutzing im (kultur-) politischen Diskurs heutzutage wenig bekannt sein dürfte, spielt sie eine bedeutsame Rolle im deutschen Transformations- bzw. Nachhaltigkeitsdiskurs: Bereits im Jahr 1963 skizzierten Willy Brandt und Egon Bahr hier ihre Perspektiven einer neuen Ostpolitik und prägten erstmals die Formel »Wandel durch Annäherung«. Gut 25 Jahre später kam es zur Deutschen Wiedervereinigung. Der Ort war also gut gewählt, als Dirk Messner und Hans Joachim Schellnhuber mit dem Wissenschaftlichen Beirat für globale Umweltveränderungen (WBGU) im Jahr 2011 ebenfalls in Tutzing die Perspektive einer »Großen Transformation zu einer klimaverträglichen Gesellschaft« formulierten. Knapp fünf Jahr später verabschiedeten die Vereinten Nationen die Agenda 2030 zur »Transformation unserer Welt«. Sowohl von Willy Brandt als auch vom WBGU gingen wesentliche Transformationsimpulse für die nationale und internationale Politik aus und definierten zentrale Wege zur UN Agenda 2030. Tutzinger Manifest Kurz nach der Jahrtausendwende, im Jahr 2001, war man von einer globalen Transformationsagenda noch weit entfernt. Das galt auch für die Kulturpolitik, zumindest im Hinblick auf eine Nachhaltigkeitstransformation. Die zu diesem Zeitpunkt noch junge Bundesbehörde des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) hatte es zunächst stärker mit einer transformativen Kulturpolitik zur Deutschen Einheit zu tun. So waren es im Jahr 2001 andere Akteur*innen wie Bernd Wagner von der Kulturpolitischen Gesellschaft, die Kulturwissenschaftlerin Hildegard Kurt, Günther Bachmann vom frisch gegründeten Rat für nachhaltige Entwicklung oder Monika Griefahn, die Vorsitzende des Kulturausschusses des Deutschen Bundestages, die im Anschluss an eine Tagung an der Evangelischen Akademie Tutzing das Tutzinger Manifest zur kulturellen Dimension der Nachhaltigkeit verantworteten bzw. in die Öffentlichkeit brachten. Das Tutzinger Manifest war vor allem an die im Folgejahr terminierte UN-Weltkonferenz für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg gerichtet und verfolgte als wichtigstes Anliegen, Ästhetik und Kultur als maßgebliche Dimension in das sich etablierende Nachhaltigkeitskonzept und die internationale Nachhaltigkeitspolitik aufzunehmen. Der Kulturbereich und die Kulturpolitik standen nicht im Vordergrund dieses kulturell motivierten Nachhaltigkeitsmanifestes, auch wenn nicht zuletzt Monika Griefahn künftige Verbindungen von Nachhaltigkeitspolitik und Kulturpolitik skizzierte. Auch Fragen einer gesellschaftlichen Transformation und eines kulturellen Wandels spielten in dem Manifest noch keine zentrale Rolle – obgleich auch die Revision überkommener Normen, Werte und Praktiken in den Blick genommen wurde. Das Tutzinger Manifest begründete eine nationale Debatte um Kultur und Nachhaltigkeit, die über einen längeren Zeitraum weder in der Nachhaltigkeitspolitik noch in der Kulturpolitik einen großen Einfluss hatte. Die in anderen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft schon viel früher einsetzende Nachhaltigkeitsorientierung und Nachhaltigkeitstransformation, die sich beispielsweise an Konzepten und Politiken von Energiewende, Ernährungswende oder Mobilitätswende festmachen, wurden im Kulturbereich viel zu lang wenig thematisiert und wenig vorbereitet. Kulturpolitik und Nachhaltige Entwicklung Im letzten Jahr – zum 20. Jubiläum des Tutzinger Manifests – hatte sich die Situation zwar etwas verbessert, allerdings steckt die Verankerung der Nachhaltigkeitsdebatte im deutschsprachigen Kulturbereich noch in den Kinderschuhen. Derzeit befindet sich dieser Sektor zwischen einer zivilgesellschaftlichen Klima- und Zukunftsbewegung und einer auf europäischer und weltweiter Ebene voranschreitenden Entwicklung einer Kultur- und Nachhaltigkeitspolitik, die die Notwendigkeit und das Potential von Nachhaltiger Entwicklung in der Kultur und durch die Kultur erkennt. Diese reichen auf europäischer Ebene vom Green Deal und der Initiative Neues Europäisches Bauhaus bis zum aktuellen EU Arbeitsplan Kultur für die Jahre 2019 bis 2022, unter deren sechs Prioritäten zwei Prioritäten auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz fokussiert sind: Sustainability in cultural heritage und Culture as a driver for sustainable development . Zu beiden Themen erarbeitet die EU zur Zeit Berichte und Handlungsempfehlungen. Auch die Kulturminister*innen der G20-Staaten haben im Jahr 2021 mit der Verabschiedung der Rom Erklärung (G20 2021) das Potenzial der Kultur zur Lösung der Klimakrise zu einem Grundprinzip ihrer Kulturpolitik gemacht. Debatte zur Nachhaltigkeitskultur im digitalen Zeitalter Damit sind zwar die ersten wichtigen Meilensteine auf den Weg gebracht worden, für eine ernsthafte Nachhaltigkeitsbewegung braucht es aber weiterhin eine Stärkung von Diskurs und Praxis. Der Kontext des 20. Jubiläums des Tutzinger Manifests bot einen geeigneten Zeitraum, um zukunftsweisende Perspektiven für die Nachhaltigkeitstransformation der Kulturpolitik zu entwerfen. Die Kulturpolitische Gesellschaft startete im letzten September diesen Blog, in dem eine Reihe wesentlicher Fragen diskutiert wurden: Bei welchen der 17 UN-Nachhaltigkeitszielen ist die Kultur wirklich auf gutem Weg? Können uns die Erfolge in Nachhaltigkeitsbereichen wie Kultureller Bildung, Teilhabegerechtigkeit, Inklusion und andere zufrieden stellen? Was ist tatsächlich gelungen? Was braucht eine Kultur der Nachhaltigkeit im digitalen Zeitalter? Die Blogbeiträge beschäftigten sich sowohl mit einzelnen Kulturfeldern als auch Kunstsparten, etwa Bibliotheken und Literatur, oder auch Nachhaltigkeitsperspektiven für kulturelle Bildung und Kulturförderung. Sie hinterfragten das aktuelle Leitbild der Kulturpolitik und setzten sich mit der Notwendigkeit eines neuen Tutzinger Manifests auseinander. Parallel dazu entstand eine 9-teilige Podcast-Reihe, in der führende Persönlichkeiten aus dem Nachhaltigkeits- und Kulturbereich über zukunftsweisende politische Strategien und Schwerpunktsetzungen diskutierten. Nachhaltigkeitsmanifest der Kultur als Aufbruchssignal Die Ergebnisse dieses Prozesses hätten in der in Tutzing zunächst für November 2021 geplanten Tagung »Nachhaltigkeit als kulturelles Projekt« vorgestellt und diskutiert werden sollen. Pandemiebedingt wurde diese Veranstaltung verschoben und findet die Diskussion eines kulturpolitischen Nachhaltigkeitsmanifests in einem digitalen Worldcafe statt. Ähnlich wie die unter dem Leitbild »Kultur für alle« in den 1970er-Jahren erfolgte Erweiterung der Kulturpolitik, gilt es auch heute, die Kulturpolitik mit Blick auf die gesellschaftlichen und weltgesellschaftlichen Herausforderungen zu erweitern und unter ein neues Leitbild zu stellen, das sich mit den schon entstandenen Ansätzen und Initiativen für eine Nachhaltigkeitskultur verbindet. In einem Nachhaltigkeitsmanifest der Kultur kann ein solches Leitbild formuliert werden. Wie bei anderen Manifesten, dem Futuristischen Manifest oder dem bis heute relevanten Bauhaus Manifest kann von einem zukunftsweisenden Nachhaltigkeitsmanifest ein kultureller Aufbruch und gesellschaftlicher Wandel ausgehen. International eröffnet die in diesem Jahr in Mexiko stattfindende UNESCO Weltkonferenz Mondiacult 2022 zu Kulturpolitik und Nachhaltige Entwicklung die Perspektive, dieses Aufbruchssignal weiterzutragen. Quellen (1) Brandt, Willy (1963): Denk ich an Deutschland … Rede an der Evangelischen Akademie Tutzing (2) Europäische Kommission (2021): New European Bauhaus. Communication from the commission to the European Parliament, the Council, the European economic and social committee and the committee of the regions (3) Europäische Kommission (2018): Work Plan for Culture (2019 bis 2022), Link , zugegriffen: 27. Oktober 2021 (4) Europäische Union (2019): Entschließung des Rates der Europäischen Union und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten zur kulturellen Dimension der nachhaltigen Entwicklung. In: Amtsblatt der Europäischen Union v. 6.12.2019 (5) Griefahn, Monika (2002): Nachhaltigkeitspolitik und Kulturpolitik – Eine Verbindung mit Zukunft. In: Kulturpolitische Mitteilungen 97 II/2002:28–33 G20. 2021. Rome Declaration of the G20 ministers of culture. (6) Hoffmann, Hilmar und Kramer, Dieter (2013/2012): Kultur für alle. Kulturpolitik im sozialen und demokratischen Rechtsstaat. Link , zugegriffen: 27. Oktober 2021 (7) Kulturpolitische Gesellschaft (2001): Tutzinger Manifest für die Stärkung der kulturell-ästhetischen Dimension Nachhaltiger Entwicklung, Link (8) UNESCO (2018): Kulturpolitik neu | gestalten. Kreativität fördern, Entwicklung voranbringen. Bericht zur Rolle der Kulturpolitik für die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (9) UNESCO Mondiacult 2022, Link (10) Weiß, Ralf (2021a): Neustart Kultur im Zeichen der Nachhaltigkeit. Aufbruch in eine andere Moderne. In: Zeit für Zukunft. Inspirationen für eine klimagerechte Kulturpolitik, Hrsg. Kulturpolitische Gesellschaft, S. 18–21, Link (11) Weiß, Ralf (2021b): Vom globalen Leitbild zur nachhaltigen Kulturpolitik. In Jetzt in Zukunft. Zur Nachhaltigkeit in der Soziokultur, Hrsg. Schneider, Wolfgang/Gruber, Kristina/Brocchi, 139–43 Der Beitrag erschien erstmals in den Kulturpolitischen Mitteilungen IV/2021 der Kulturpolitischen Gesellschaft und wurde für den Blog aktualisiert. Autoren
von Ute Zander 17 Jan., 2022
Ute Zander 14. Januar 2022 es ist weiß sagt jemand es ist schwarz sagt jemand anderes es sind Grautöne sagt der Reformer es ist bunt sagt der Transformer Dieses Gedicht war mein persönliches Fazit aus einer weiteren Global-Change-Forschungs-Tagung, bei der wieder einmal Diskussionen im Entweder-Oder-Modus geführt wurden, anstatt Sowohl-als-Auch Lösungen zu entwickeln und endlos über Trade-offs gesprochen wurde, anstatt zu überlegen, wie man die ihnen zu Grunde liegenden Rahmenbedingungen verändern kann. Nach vielen Jahren als Beraterin an der Schnittstelle zwischen Nachhaltigkeitsforschung bzw. Global Change Forschung und deren konkreter Umsetzung in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten war es Zeit, das Thema Nachhaltige Entwicklung aus einer persönlicheren Perspektive anzugehen, Beruf und Berufung zusammen zu bringen: als Bildhauerin und auf einer grundsätzlicheren Ebene der Nachhaltigkeit. Wie verändert man Systeme? In ihrem Buch „Thinking in Systems“ (1) führt Donella Meadows eine Reihe von Leverage Points auf, Möglichkeiten den Hebel anzusetzen, um komplexe Systeme zu verändern. Sie arbeitet sich von den sehr handfesten Bereichen wie Konstanten und Parametern im System über Feedbackschleifen, Material- und Informationsflüsse, hin zu den immateriellen Bereichen der Regelwerke und Machtstrukturen, der Ziele und schließlich der leitenden Paradigmen. Und dann setzt sie noch einen Schritt obendrauf: Die Macht oder Fähigkeit, Paradigmen zu transzendieren. Ich habe schallend gelacht, als ich ihre Beschreibung dieses Punkts gelesen habe – erleichtert und befreit! „actually, it could be fantastic!“ Paradigmen zu transzendieren, das ist für mich das Feld der Kunst und der Spiritualität, der Erfahrung ohne vorgegebene Wertungen, des Experimentierens und der Neugier. Zu oft – für meinen Geschmack – wird das Nachhaltigkeitsthema als Problem angegangen. Doch, wie der Gründer der Transition Town Bewegung Rob Hopkins im Film „Tomorrow“ so treffend bemerkt: „Actually, it could be fantastic!“ (2) Es ist die Gestaltungsaufgabe schlechthin. Und je mehr Menschen sich daran beteiligen, desto besser. Stattdessen schrecken viele Menschen zurück vor den Vokabeln „Klimawandel“, „Nachhaltige Entwicklung“ oder „Große Transformation“. Sie lösen oft das Gefühl aus, dass ihnen hier etwas weggenommen oder verboten werden soll. Das führt bei einigen zu Hilflosigkeit, oder sogar zu Leugnung und Verweigerung. Hier kann die Erfahrung künstlerischer oder kreativer Aktivitäten Abhilfe schaffen. Künstlerische Prozesse als Erfahrungsfeld ... In keinem Bereich habe ich jemals den Zusammenhang zwischen Freiheit und Verantwortung so klar und wirksam erfahren wie in meiner Bildhauerei. Das hängt nur teilweise an der Art wie ich arbeite: von einem Stück Baumstamm das Material abtragend, mit Beil, Messer und Klöppel, Raspel und Feile und schließlich Schleifpapier. Dieses Arbeiten beinhaltet eine unglaubliche Konsequenz. Jede Handlung hat irreversible Folgen. Oder flapsig ausgedrückt: Was weg ist, ist weg! Ich genieße die Freiheit des künstlerischen Arbeitens ohne Richtig und Falsch. Es gibt immer nur den nächsten Schritt und die Konsequenzen daraus. Das heißt, im Atelier befinde ich mich in einem geschützten Raum, einem wertfreien Rahmen in dem die Konsequenzen meines Handelns zwar erfahrbar und teilweise sehr emotional, aber nicht gefährlich oder gefährdend sind. Das Stück Holz und meine Werkzeuge setzen mir Grenzen des Machbaren und Möglichen. Aber innerhalb dieses Rahmens bin ich frei. … und als Vorbild Zugleich ist der künstlerische Prozess eine Art Prototyp des Lernens und Entwickelns, der sich auf andere Bereiche übertragen lässt. Es ist ein ständig ablaufender Zyklus aus Gestalten, Innehalten, die Werkzeuge hinlegen, fünf Schritte zurücktreten und in diesem Abstand die Figur umkreisen, Wahrnehmen aus unterschiedlichen Perspektiven ohne zu bewerten, das Wahrgenommene reflektieren anhand meiner Vision oder Idee von der Skulptur, Integrieren von Realität und Vorstellung, Entscheiden über den nächsten Schritt und wieder Handeln. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen diese Art von Erfahrungen machen können: dass sie die Zusammenhänge zwischen Freiheit und Verantwortung unmittelbar erleben, dass sie Selbstwirksamkeit erfahren und Selbstbewusstsein aufbauen. Und dass sie darauf aufbauend ihre Ängste und Widerstände überwinden können und sich an der großen Gestaltungsaufgabe Nachhaltigkeit beteiligen. Auch das zu ermöglichen ist für mich eine Aufgabe von nachhaltiger Kulturpolitik oder besser transformativer Kulturpolitik. Quellen: (1) Meadows, Donella, Sustainabillity Institute (2008): Thinking in Systems, White River Junction, Chelsea Green Publishing Company. (2) Dion, Cyril; Laurent, Melanie (2015): Tomorrow, Pandora Film. Autorin
von Daniel Gad 10 Jan., 2022
Findungsprozess zu einem neuen Normal in der Kultur Daniel Gad 10. Januar 2022 Die Zielrichtung ist bereits eindeutig Eigentlich ist doch bereits seit dreißig Jahren alles gesagt: Dass wir unsere Lebensweisen nach den Kriterien der Nachhaltigkeit neu ausrichten müssen, dürfte mittlerweile im Kern nicht mehr ernsthaft befragt werden – sicher wohl aber in den Details. Alle Erkenntnisse aus der Nachhaltigkeitsdebatte stellen klar: Die menschliche Entwicklung und somit die allermeisten Lebensweisen rund um den Erdball sind in ihrer derzeitigen Ausprägung endlich. Deren Fortsetzung wird dazu führen, dass zukünftige Generationen nicht auf gleiche Weise werden leben können. Diese schmerzliche Erkenntnis ist sicherlich zunächst einmal ein wirklich herber Verlust bei all den unglaublich bereichernden, schönen, Menschen verbindenden und Vielfalt vermehrenden Errungenschaften, die allein die Ausweitung der globalen Mobilität oder die in einigen Teilen der Welt erreichte, praktisch grenzlose Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln und Sachgegenständen mit sich führte. Es ist jetzt die Zeit gekommen, zu klären, wie wir diese Transformation so angehen, dass sie einerseits die hier nötige Wirkkraft erzielt und andererseits wir Wege finden, bedeutende Errungenschaften zu bewahren. Das gilt für alle Bereiche unserer Gesellschaften und so auch für die künstlerische Praxis und die Kulturvermittlung. Die Pandemie als Erfahrungswert Die bald zwei Jahre andauernde Covid-Pandemie zwang uns kennenzulernen, was es bedeutet, das bisherige Handeln in so vielen Facetten neu zu denken und anzugehen – auch wenn wir selbstverständlich alles darum geben würden, dieses Erlebnis und das damit verbundene Experiment mit unseren Gesellschaften wäre nie geschehen. Wir alle mussten erleben, wie von oben verordneten Beschränkungen enormen Ausmaßes zur Bewältigung einer solchen Krise aussehen können: einerseits Fremdbestimmung und zugleich eine klare finanziell untermauerte Entscheidung unglaublicher Größenordnung seitens der politischen Entscheidungsträger. Hier und da ist es zwar gelungen, mit Kreativität und Erfinder*innengeist alternative Lösungen zu finden, trotz der nötigen Einschränkungen weiter zu machen. Und gerade im Zusammenhang mit digitalen Ansätzen wurden so auch neue Wege zu arbeiten, zu präsentieren oder auch teilhaben zu lassen gefunden, die nun Bestandteil der beginnenden Post-Pandemie-Zeit werden könnten. Man könnte hier in Teilen geradezu von einem Innovationsschub sprechen. Doch ist ebenso klar: das Erleben von Verlusten und Verboten war für alle Menschen weitgehend unfreiwillig und begleitet mit Sorgen, Ängsten vor Bedrohung, Verlust, Veränderung und weiteren Existenz bedrohenden Faktoren. Ein Ansatz, der aus der Not der Pandemie heraus begründet ist, keineswegs aber unserem demokratischen, freiheitlich denkenden Grundverständnis und dem damit verbundenen eigenständigen Denken und Entscheiden der einzelnen Bürger*innen entspricht. Die Akzeptanz und Verinnerlichung des neuen Handelns und des Umgangs mit Verlust bisheriger Freiheiten bedarf über Not-Entscheidungen hinaus weit mehr Bottom up-Ansätze. Zudem konnten wir alle auch erleben, welche Möglichkeiten zum Wandel – gar auch zum unmittelbaren Wandel – sich bieten, wenn die politischen Entscheidungsträger entschlossen und umfassend einen Transformationsprozess begleiten. Geht Nachhaltigkeit ohne Einschränkungen? So anders die Covid-Pandemie in vielen Dingen im Vergleich zur Nachhaltigkeitsdebatte ist, so sehr gibt es aber auch eindeutige Bezugspunkte, die es nun zu nutzen gilt, die Transformation unserer Gesellschaft endlich und richtig anzugehen. Das Erleben von kurzfristigen Verordnungen durch den Staat und massive Einschränkungen sich (gerade auch international) frei bewegen zu dürfen, war sicherlich von eindrücklich verlustbezogener Erfahrung. Aus Sicht der Nachhaltigkeitsdebatte würde es womöglich Sinn machen, diese pandemiebedingten Mobilitäts-Einschränkungen beizubehalten. So sehr uns ein solcher Gedanke widerstrebt und gerade auch der gesellschaftspolitischen Relevanz des internationalen Kulturaustauschs widerspricht: was bedeutet es, diese Erfahrungen zu nutzen und einzuspeisen in die nun anstehende Transformation hin zu einem nachhaltigen Lebensstil? Denn paradoxerweise befinden wir uns derzeit auch an einem Punkt, wo es einerseits mit verständlichen Argumenten einzufordern gilt, dass wir nach so vielen Monaten pandemiebedingter Einschränkungen das Recht haben müssen, zu unseren alten Gewohnheiten, beispielsweise der umfangreichen Mobilität, zurückzukehren. Die akute Situation scheint uns das Recht zu geben, nun auch akut erlebte Verluste wieder zu mindern: Jetzt hier in der Gegenwart und ebenso in der Zukunft. So wäre Verantwortung gegenüber den Mitmenschen gezeigt. Andererseits gilt es, die Pandemie als Zäsur zu betrachten, die es zu nutzen gilt, den Neustart innerhalb einer neuen Normalität, sprich einer der Nachhaltigkeit verpflichteten Transformation, auszurichten. Wenn diese Transformation doch so schwerfällt, ist nicht jetzt der bestmögliche Zeitpunkt dazu? Kann nicht diese Situation eines Neustarts helfen, die gegenwärtigen Bedürfnisse mit den Bedürfnissen der zukünftigen Generationen zusammenzubringen und somit auch in unser Verantwortungsgefühl die Nachhaltigkeit mit einzubeziehen? Schutz der Künste nötig? Doch wie steht es innerhalb dieses Dilemmas um die Künste? Ist es wirklich so, dass unsere künstlerische Praxis eine Repräsentantin der Nicht-Nachhaltigkeit darstellt und somit als Gegenteil von Zukunftsfähigkeit zu bewerten ist? Stellten wir doch an anderen Stellen wiederholt fest, wie wichtig die künstlerische Praxis für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaften sei. Sprich: Was an unserer künstlerischen Praxis gilt es, als Teil der bahnbrechenden Erkenntnisse der menschlichen Zivilisation auch gegen die Bedarfe eines globalen Klimaschutzes zu schützen? Welche Argumente würden eine klimabedingte Beschränkung der Freiheit der Künste rechtfertigen? Allein das hier zu schreiben, wirkt bereits paradox, doch es wird deutlich, dass einerseits der globale Klimaschutz einen Wandel, eine Abkehr, ein Weniger als bisher von uns begründet abverlangt und verlangen muss. Wenn wir alle nur ein bisschen klima-neutraler werden, dann genügt dies keineswegs, so die klare Erkenntnis. Doch wie bringen wir dieses Wissen zusammen damit, dass die künstlerische Praxis und damit einhergehend auch die Kulturvermittlung in ihrer Freiheit geschützt und bewahrt werden müssen? Denn sonst würden wir das ihr innewohnende Potenzial in nicht abzuschätzender Weise beschneiden. Wie bringen wir Bewahren und Verändern produktiv und nicht einschränkend zusammen? So, wie in vielen Bereichen des Lebens, gibt es bereits auch erste Ansätze darin, künstlerische Praxis entlang der Kriterien des nachhaltigen Lebens zu organisieren. Doch wie stellen wir sicher, dass an dieser Stelle nicht höhere Kosten die Kreativität ausbremsen? Welche zusätzlichen Förderansätze braucht es deshalb für die künstlerische Praxis und die Kulturvermittlung? Auch hier gibt es mit den wohl eher in der Schublade verschollenen „Konzeptgedanken zu einem Fonds Ästhetik und Nachhaltigkeit“ von Adrienne Göhler erste Ansätze. Womöglich wurden sie auch innerhalb des eigenartigerweise bereits wieder ausgelaufenen „Fonds Nachhaltigkeitskultur“ aufgegriffen. Und welche Förderung braucht es hier auch in globaler Perspektive? Ebenso wie der Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen völkerrechtlich verankert auch zu einer globalen Gemeinschaftsaufgabe formuliert wurde. Begleitend stellt sich die dringliche Frage, was nachteilig mit der Qualität der künstlerischen Praxis passiert, wenn Nachhaltigkeitskriterien zu weniger internationalem Austausch, weniger Inspirationsmomenten, weniger Koproduktionen, weniger künstlerisch-inhaltlich geleiteten Entscheidungen für die Beteiligung von Künstler*innen aus anderen Weltregionen oder für Produktionsorte in entlegenen Teilen der Welt führen, weil beispielweise die Mobilität per Flugzeug geächtet wurde. Ausnahmeregelung für Kultur? Kann hier eine besondere Form der „Exception Culturelle“, wie sie für den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen im Kontext der globalen Wirtschaftsbeziehungen formuliert wurde, ein Schlüssel sein? Doch wie weit kann eine derartige Ausnahmeregelung für die Besonderheiten der Kultur greifen? Einerseits sprechen Argumente für eine ungezügelte Ressourcennutzung von künstlerischer Praxis für die Wahrung von uneingeschränkter Kunstfreiheit und damit Wirkungsfreiheit. Die Systemrelevanz von künstlerischer Praxis liegt ja gerade darin, unsere Gesellschaft produktiv zu begleiten und zu hinterfragen. Doch gehören im Zuge der daraus erwachsenen gesellschaftspolitischen Verantwortung, Vorbild und Vorreiter zu sein, auch die Produktionsbedingungen und deren Vorbildfunktion für sowohl das Privatleben als auch andere gesellschaftliche Bereiche hinzugezogen in das Handeln, welches Teil eines entschieden nachhaltigen Lebensstils sein muss. Kunst ist ja bereits heute nicht völlig frei; heutzutage würde kaum jemand hinterfragen, dass Tierquälerei aus der Freiheit der Kunst ausgenommen ist. Was macht es also, wenn die künstlerische Praxis noch ein Stück unfreier wird, weil die Freiheiten der zukünftigen Generation gleichwertig wichtig sind wie unsere Freiheiten hier und jetzt? Doch was passiert mit unserer künstlerischen Praxis, wenn der gesamte Zyklus von Entwurf, Produktion, Distribution bis zur Entsorgung umfassend klimaneutral ausgerichtet werden würden? Wie können wir daraus entstehende Defizite auffangen? Neue Ansätze Neue Ansätze liefert uns hier eine relativ junge Fachdisziplin: das Transformationsdesign. Hier wird unter anderem erforscht, wie es dennoch gelingt, eine Praxis zu bewahren oder sie guten Gewissens zu verändern, ohne dass ein wirklicher Verlust der inhaltlichen Zielsetzung entsteht. Die Architektur hat innerhalb der Denkmalpflege durchaus Antworten darauf gefunden, wie Bewahren und Verändern zusammenzubringen sind. Sei es, dass Thermo-Verglasungen auch in einem denkmalgeschützten Gebäude möglich sind oder dass moderne Architektur an denkmalgeschützte Architektur anschließen kann, ohne deren Formensprache grundlegend negativ zu beeinflussen. Was können wir daraus für die künstlerische Praxis lernen? Apropos Lernen: Wissen zu teilen, ist ja bekanntlich Bestandteil des Sharing-Gedankens innerhalber der Nachhaltigkeitskonzepte. Gerade an dieser Stelle gilt es erneut, den großen Wert eines lebendigen internationalen Austauschs und internationaler Koproduktionen nicht außer Acht zu lassen, um Inspirationen von einem Winkel der Erde an einem anderen zu neuen lokal passgenauen Konzepten zu verhelfen. Denn sicherlich hat auch die Nachhaltigkeitsdebatte erkannt, dass es keine universellen Lösungskonzepte gibt, die ohne jegliche lokale Einfassung eine lokale Wirkkraft und Zustimmung erfahren werden. Autor

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